Top Thema Erben – Erbmediation
Wer mit meinem beruflichen Background vertraut ist, weiß um meinen Quellberuf der Steuerfachwirtin. In den Jahren meiner Tätigkeit in Kanzleien habe ich mich mit dem Thema Erben immer sehr gerne befasst. Dies hatte sicherlich damit zu tun, dass mich diese Arbeit sehr eng mit den Mandanten und deren familiären Beziehungen in Kontakt brachte.
Letztlich waren es die Streitigkeiten im Kontext mit Unternehmensübergaben und Erbfällen, die mich zur Mediation führten. Ich wollte die Menschen in ihrer emotionalen Bedrängnis und Blockade effektiv unterstützen können.
So habe ich folgerichtig die Erbmediation zu einem Tätigkeitsschwerpunkt meiner Arbeit als Mediatorin gemacht.
Erbmediation kann auf zwei Ebenen zur Anwendung kommen:
1. IDEALERWEISE bei der Treffung von Erbfolgeregelungen
Hier gibt es zunächst allerhand emotionale Hürden zu nehmen – ist doch die Befassung mit der eigenen Endlichkeit per se ein herausforderndes Thema. Und ich bin immer wieder erstaunt, wie hoch die „Verdrängungsenergie“ speziell bei diesem Thema ist.
Meine provokative Aussage „vom ungeplanten Sterben“ entspricht leider den tatsächlichen Gegebenheiten, der zu Folge ein erschreckend hoher Prozentsatz (auch) von Unternehmern keine testamentarische Nachfolgeregelung getroffen hat. Laut Statista haben sich gut 40% der Menschen noch nie mit dem Thema Erbrecht befasst. Rational erklären lässt sich dies definitiv nicht, denn „die Erbschaftswelle rollt immer mehr“, und der Umfang des ererbten Vermögens steigt stark an. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung/DWI spricht PRO JAHR von ca. 400 Milliarden Euro, die vererbt oder verschenkt werden. An dem steigenden Vermögen hat sicherlich der Immobilienboom und der Anstieg der Börsenkurse der letzten Jahre einen bedeutenden Anteil. Dass die pro Jahr erhobene Erbschafts- und Schenkungsteuer in Deutschland in Höhe von ca. 8,5 Milliarden in 2020 (Quelle: destatis) im Verhältnis dazu gering ist, sei als kleine Petitesse kurz angemerkt.
Ohne Frage gibt es nicht für jeden Einzelfall Regelungsbedarf, da kein nennenswertes Vermögen vorhanden und/oder eine harmonische Übereinstimmung gegeben ist. Oder aber es handelt sich (nur) um Finanzvermögen, welches relativ einfach zwischen den Erben aufgeteilt werden kann. Fakt ist, dass der Anteil an Geldvermögen über die Jahre hinweg abgenommen hat; dies wiederum erhöht den Regelungsbedarf.
Merke:
Wenn zur Erbmasse auch Immobilien, tätige Beteiligungen und Unternehmensvermögen gehören, ist eine Regelung / die Errichtung eines notariellen Testaments dringend anzuraten. Damit es gut und in Ihrem Sinne weitergeht.
Zunächst gilt es, mit dem/den zukünftigen Erblasser(n) zu erarbeiten, WAS IHM / IHNEN VON BEDEUTUNG IST und wie er/sie „Ihr Haus bestellen will/wollen“. Bei Paaren mit Kindern gehen die Anliegen und Interessen oftmals auseinander. Das Ganze potenziert sich bei Patchwork-Familien, in denen ggf. Kinder aus drei Herkunftsfamilien im Spiel sind. Hier spielt plötzlich das „Deine/Meine Kinder“ eine Rolle – und schon sind wir mittendrin in einer Debatte um Gerechtigkeit. „Absolute Gerechtigkeit“ ist eine Illusion, dies gilt es zu akzeptieren. Die Lösung ist, eine „gefühlte Gerechtigkeit“ zu erarbeiten. Hierzu kann die systemische Arbeit einen großen Beitrag leisten.
Ein weiteres Hotspot-Thema sind die unterschiedlichen Einschätzungen der Eltern, welches Kind die entsprechenden Kompetenzen und Ressourcen hat, um z.B. die unternehmerische Familientradition fortsetzen zu können.
Eine gelingende Nachfolgeregelung erfordert die folgenden Schritte:
Schritt 1 umfasst die Erarbeitung DES EIGENEN WILLENS
erst dann macht es Sinn, in
Schritt 2 mit den zukünftigen Erben ins Gespräch zu gehen.
Dabei stellt sich oft heraus, dass die Ambition der Erben eine tätige Nachfolge anzutreten, oftmals mit vielen Vorbehalten belastet ist oder diese Option auch blank abgelehnt wird. Dann gilt es den Widerständen auf den Grund zu gehen. Dabei kann es sich beispielsweise handeln um:
- Eine „verspätete Rebellion“ gegen die Unternehmer-Eltern
- Das Gefühl, es ohnehin „nicht recht machen zu können“
- Ein eigener Lebensplan mit anderen Schwerpunkten
- Ein Widerspruch der (Ehe-) Partner
- Die Sorge davor, dass Geschwister einem diese Position neiden
- Die Forderung des Übergebers, man solle sich die Nachfolgeposition mit einem oder mehreren Geschwistern teilen
- Eine Kindheit, in der Rivalität zwischen den Geschwistern geschürt wurde
- Eine fehlende positive Vorbildfunktion der Eltern. Wenn man „so nie werden will“…
- Wer ständig die Klagen der Unternehmer-Eltern über Mitarbeiter, Kunden usw. anhören musste, hat verständlicherweise keine Lust auf Nachfolge
- Usw.
Die Offenlegung dieser möglichen WIDERSTÄNDE bietet die reelle Chance diese AUFZULÖSEN. Dann ist der Weg bereitet, FREI ZU ENTSCHEIDEN, WAS FÜR ALLE BETEILIGTEN STIMMIG IST.
Entscheiden sich Kinder die Nachfolge nicht anzutreten, ruft dies oftmals bei den Eltern eine große Enttäuschung hervor. Es kann sein, dass dies „als Verrat an der Sippe/der Familientradition“ gewertet wird und zu einem Zerwürfnis führt. Ganz klar: ELTERN HABEN KEINEN ANSPRUCH DARAUF, DASS KINDER IHR LEBENSWERK FORTFÜHREN. In der gemeinsamen Arbeit gilt es hierfür ein Verständnis zu entwickeln, um in die Akzeptanz zu kommen – eine fortdauernde Belastung der Beziehung tut allen nicht gut.
In Schritt 3 wird sodann in Abstimmung mit Steuerberatern, Rechtsanwälten und Notaren eine rechtliche Umsetzung des gewünschten Regelwerkes realisiert.
2. Bei der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften
Kennen Sie in Ihrem persönlichen Umfeld auch „die Fälle“, in denen Familienmitglieder oft Jahre bis Jahrzehnte nicht mehr miteinander gesprochen haben? Leider sind diese Konstellationen keine absoluten Ausnahmefälle, und nach all den Jahren mit der Befassung damit, berührt mich dies zutiefst. Vor allem dann, wenn mir – zunächst – versichert wird „das macht mir gar nichts aus“. Schwerlich vorstellbar, oder? Aktuell habe ich einen Auftrag, in dem bereits Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft erhoben wurden.
So drastisch sind die Beziehungen in der Regel nicht zerrüttet. Aber der Erbanfall stellt fast immer eine Herausforderung für die Mitglieder einer Familie/ Erbengemeinschaft dar. DIES VOR ALLEM, WENN NICHT ZU GLEICHEN TEILEN VERERBT WURDE/ VERERBT WERDEN KONNTE. Ist der Inhalt des Testaments im Vorfeld nicht bekannt, verschärft dies die Situation.
Plötzlich den vom Erblasser geschaffenen Fakten gegenüberzustehen, kann Gefühle der Hilflosigkeit, der Verletzung und der Wut hervorrufen. Wer sich z.B. Hoffnungen auf ein/das Erbe des Betriebs gemacht und sich hierauf fachlich vorbereitet hat, womöglich bereits im Betrieb tätig war und dann nicht zum Zuge kommt, fühlt sich schlichtweg ausgenutzt und betrogen. Dazu kommt dann noch das Gefühl des Scheiterns, weil der Erblasser ihm die Weiterführung des Betriebs nicht zugetraut hat.
Mittels einer Erbanordnung werden manchmal – so hart das klingt – „alte Rechnungen“ beglichen. Anstatt sich im Vorfeld aktiv mit der Lösung von Konflikten und Beziehungsstörungen zu beschäftigen, wird manchmal mittels des Testaments „sanktioniert“. Wenn z.B. Kinder enterbt werden, diese aber Ihren Pflichtteil geltend machen, kann dies zu einer großen emotionalen Herausforderung für die Miterben werden.
Vordergründig wird um Materielles gestritten, tieferliegend geht es meist um die unglückliche Verquickung auf der Beziehungsebene. Sprachlich geht es bei Erbschaften und Schenkungen um „Zuwendungen“ – fast immer gab es „eine (empfundene) Zuwendungsstörung“ zwischen Erblasser und Erbe.
Wenn die Vermögensstruktur eine Teilung zu gleichen Anteilen nicht zulässt und bei Unternehmensübergaben ein vollumfänglich monetärer Ausgleich schlichtweg nicht leistbar ist, ist hinreichend Zündstoff vorhanden. Durch Teilungsanordnungen und Ausgleichzahlungen lässt sich manches „entschärfen“, vor allem, wenn die Erben die Wirtschaftsgüter erhalten, die sie auch wollen.
Last but noch least: Die Familienfremden
In der Regel ist die Testamentseröffnung eine geschlossene Familienveranstaltung. Zunehmend sitzen hier aber Familienfremde mit am Tisch; z.B. Personen, die sich in den letzten Lebensjahren intensiv um den Erblasser kümmerten oder gute Freunde waren. Dies kann bei den Kindern großen Unmut hervorrufen. Da gilt es die Akzeptanz für Folgendes herzustellen:
- Es steht in der Hoheit des Erblassers abweichend von der gesetzlichen Erbfolge zu testieren.
- Das erarbeitete Vermögen KANN, MUSS ABER NICHT WEITERGEGEBEN WERDEN. Ein wie auch immer gearteter Anspruch ist im psychologischen Sinn als übergriffig zu werten. Der Erblasser hätte dies schließlich auch „auf den Putz hauen“ können.
- Übergriffig wäre es auch, die Beziehungen zu Familienfremden zu bewerten. Die Nähe und Verbundenheit zu diesen Personen ist alleinige Angelegenheit des Erblassers.
Um den Familienfrieden nachhaltig zu sichern:
Vererben Sie nicht die Konsequenzen Ihrer eigenen Unentschlossenheit.
Packen Sie das Thema an und treffen Sie die notwendigen Regelungen.
Das bringt viel Entlastung in das System.