Die Kunst ein positives NEIN zu kommunizieren
Ja was, könnten Sie sich fragen, „wird da nicht dem Egoismus die Hand gereicht“, wenn ich Sie ermutige „sagen Sie öfter, bestimmt und mit Lust NEIN“! Gelten doch gemeinhin Menschen als höflich und umgänglich, die Ihrem Umfeld häufig mit einem geflissentlichen JA entgegentreten.
Ganz ehrlich, wie fühlt es sich an, dieses JA, welches nicht aus tiefem Herzen kommt, von Überzeugung getragen wird und den Sprecher persönlich einschränkt? Mir wird unangenehm bei der Vorstellung, ein JA dieser Art wirkt zerstörend, weil es auf eine subtile Art und Weise auch den Respekt vermissen lässt. Den Respekt davor, dass ich ein Nein aushalten kann.
In meinem vorigen Beitrag hatte ich eine Verknüpfung zwischen der Selbstbehauptung (damit meine ich die Fähigkeit einer Person, sich nach außen abzugrenzen und für ihre ureigenen Belange einzutreten) und dem Nein-Sagen-Können hergestellt.
Ein Nein ist ein Synonym für die Abgrenzung in der sozialen Interaktion – daher erfordert es gelingender verbaler und nonverbaler Verlautbarungen um Beziehungen nicht zu beschädigen.
Fakt ist, dass wir privat als auch beruflich ständig Entscheidung zu treffen haben (= uns abgrenzen) und uns damit zwischen den Polen
JA ↔ NEIN
bewegen. Das ist wie ein Tanz. Und je lauter die Musik spielt – umso mehr Informationen und Menschen uns umfluten – desto höher ist das Erfordernis an klare Abgrenzung.
Den JA-Oder-NEIN-Schritt vollzogen, stehen wir vor der Herausforderung, die getroffenen Entscheidungen auch verständlich und nachvollziehbar zu kommunizieren, weil ein NEIN – das wissen wir alle aus eigener Erfahrung – in der Kommunikation und im Miteinander eine eher negativ besetzte Rolle einnimmt.
Woher dies kommt?
- Weil wir es gemeinhin zu wenig gelernt haben, unser ICH und seine Anliegen wertzuschätzen und dafür einzutreten
- Weil unreflektierte Emotionen im Spiel sind
- Weil wir sehr häufig im Reaktionsmodus gefangen sind – also weit weg von einem entschiedenen und kraftvollen Handeln
- Weil wir in einer Gesellschaft leben, in der die Selbstlosigkeit einen hohen ethischen Wert darstellt.
Und dann stellen Sie sich mal vor, dass Ihr Gegenüber eine ähnliche Sozialisation mit all den beschränkenden Konditionierungen wie Sie durchlaufen hat – kein Wunder also, dass auf der Zuhörer-Empfängerseite zumeist ein NEIN als eine Ab- bzw. Zurückweisung empfunden wird. Ich schreibe explizit empfunden wird, dies wird als die (eigene) Wahrheit erlebt. Dabei tritt mein Gegenüber im Idealfall einfach für sich ein.
So halte ich es für einen Kardinalsfehler „dem Nein“ die Schmuddel-Ecke zuzuweisen, letztlich dient dies weder unserer Persönlichkeitsentwicklung noch der Gestaltung reifer Beziehungen.
{Bleibt auch noch die Frage offen, ob wir hier ein Gender-Thema haben – ich treffe leider keine falsche Aussage, wenn ich sage: das JA ist primär weiblich.}
Sie hegen Zweifel an meiner Theorie? Dann schlage ich Ihnen doch gleich mal ein kleines Experiment vor. Starten Sie in den Tag mit einer gewissen Anzahl abgezählter kleiner Gegenstände (Steinchen oder ähnlichem) in der rechten Hosen- oder Jackettasche.
Während des Tages halten Sie bei jedem geäußerten “JA“ bewusst einen Moment inne und fragen sich: hätte ich ehrlicherweise lieber „NEIN“ gesagt? Wenn dem so ist, darf ein Steinchen auf die andere Seite wandern. Und am Abend ziehen Sie Bilanz – wenige Steinchen links, stehen dafür, dass Sie sich treu sind. Bravo!
Wenn ein Klient ein manifestes Problem hat, spielen wir zuweilen die „Ich-habe-ja gesagt, obwohl ich-nein-sagen-wollte-Jagd“. Hier geht es darum zu identifizieren, welche Probleme er selbst mit kreiert, weil der Mut zum NEIN gefehlt hat.
Sie mögen es empirisch? Es gibt eine Quote von über 50% der nicht ehrlichen JAs. Einerseits erschreckend, andererseits finde ich dies großartig: Mehr als die Hälfte Ihrer Probleme können Sie durch eine authentische Kommunikation vermeiden!
So wenden wir uns dem zu, was es braucht, damit Sie sich treu bleiben können und Ihr Umfeld dies auch akzeptieren kann. Wenden Sie Ihren Blick noch einmal nach oben zu dem Kasten, versetzen sich in einen Modus, aus dem heraus Sie bewusst und reflektiert agieren. Was finden Sie dann in sich – es ist ein JA. Ein JA für die eigenen Anliegen und Bedürfnisse – und genau dies kommunizieren Sie sodann. Nachdem Sie dies getan haben, äußern Sie Ihr NEIN. So geben Sie Ihrem Gegenüber die Chance Ihr Nein zu akzeptieren, ohne dies auf sich persönlich zu beziehen.
Merksatz: Ihre „Startbasis“ zum NEIN ist ein JA!
Dies erfordert ein Training, ein vertraut werden. Ihr System braucht eine gewisse Zeit, sich umzustellen. Aber ich verspreche Ihnen, Sie werden reich belohnt, denn
Die Qualität unserer Kommunikation bestimmt maßgebend die Qualität unseres Daseins.
It´s simple but not easy – herzlich Ihre
Christa G. Kober