„Hier geht es zu wie im Kindergarten“

Liebe Leser,

Sie kennen diese Aussage auch? Ich höre diesen Ausspruch regelmäßig von Führungskräften und Unternehmern – interessanterweise wird er immer dann geäußert, wenn etwas „nicht rund läuft bzw. nicht zur Zufriedenheit erledigt wird“.

Damit einher geht fast immer das Gefühl, in der Alleinverantwortung zu stehen verbunden mit dem Ärger, alles selbst erledigen zu müssen. Dies löst Enttäuschung und manchmal auch Wut aus, ruft aber gleichzeitig auch die Frage nach einem Versagen als Führungskraft hervor. Idealerweise möchte diese eigenverantwortliches Arbeiten fördern und der Potential-entwicklung der Mitarbeiter Raum geben.

Seitens der Mitarbeiter bekomme ich das Feedback, dass diese Äußerung äußerst demotivierend wirkt und Ausdruck einer (gefühlten) mangelnden Wertschätzung darstellt.

So erlebe ich Missverständnisse und Frust auf beiden Seiten!

Zeit also, mich diesem „Phänomen“ anzunähern und herauszufinden, welche Analogien hier gebildet werden. Zu Recht steht die Kindergartenzeit für „nicht funktionieren müssen“. Diese Jahre sind der Entwicklung der sozialen Fähigkeiten, des kommunikativen Ausdrucks und der Herausbildung der eigenen Persönlichkeit vorbehalten. NUR darauf aufbauend kann die klassische Bildung im Sinne einer kognitiven Förderung starten.

So stellt sich die Frage, welche wertvollen Impulse und Chancen ggf. verloren gehen, wenn das scheinbare Kindergarten-Verhalten ausschließlich negativ bewertet wird. Auch drängt sich die Frage auf, wie wir persönlich die eigene Zeit bzw. die unserer Kinder erlebt haben, bzw. erleben.

In den Negativäußerungen manifestieren sich z.B. folgende Einschätzungen

  • Dort geht es unstrukturiert zu – es funktioniert nicht
  • Prioritäten werden nicht gesehen – Wesentliches bleibt liegen
  • Es regiert das Lustprinzip – somit fehlt die Verbindlichkeit
  • Jeder macht was er will – Teamgeist fehlt
  • Es übernimmt niemand Verantwortung – ich muss alles alleine machen

Ohne Frage, Sie dürfen von Ihren Mitarbeitern eine professionelle Erledigung der jeweiligen Aufgaben erwarten. Ich werfe allerdings die Frage in den Raum, welches Umfeld/welcher Umgang sich hierbei fördernd auswirkt.

Wenn „Kinder Finder sind“ dann ist dies ohne Zweifel eine wertschöpfende Fähigkeit zur Lösung der (drängenden) Fragen im betrieblichen Alltag

Gesunde Kindern verfügen über eine hohe Frustrationstoleranz, vom Aufstehen und Gehen bis hin zur Erlernung der gängigen Kulturtechniken – ein Misserfolg löst einfach einen erneuten Versuch aus. Damit sind sie Meister im Durchhalten.

Wenn Kinder in ein Spiel vertieft sind, steht dies für eine absolute Fokussierung.

Kinder können sich begeistern, weil nicht eine endlose Reihe „von aber“ und „das haben wir schon immer so gemacht“ im Wege stehen.

Sich etwas trauen erfordert Vertrauen. Dies gilt auch für Führungskräfte in die Fähigkeiten der Mitarbeiter.

Kinder probieren gerne etwas Neues aus: Eine hohe Innovationskraft erfordert oftmals eine unbelastete Herangehensweise.

Nicht Philosophen stellen die radikalsten Fragen, sondern Kinder. Das Zitat von Hellmut Walters verdeutlicht die Not-Wendigkeit des In-Frage-Stellens, um das Unter-nehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen.

Um die Auswirkungen plastisch zu machen:

Die Kehrseite eines nichts Zutrauens heißt in der Konsequenz, dass es keine bzw. nur eine eingeschränkte Möglichkeiten gibt zu delegieren.

Mangelnde Delegationsoptionen binden Führungskräfte zu sehr in das operative Tagesgeschäft ein und verhindern, dass Führungsaufgabe AM Unternehmen statt IM Unternehmen arbeiten. Exakt dies aber verlangt absolute Priorität.

Dieser ureigenen unternehmerischen Anforderung nicht gerecht zu werden, macht Führungskräfte und Unternehmer aber unzufrieden und führt zu zunehmenden intrapersonalen Spannungen, die sich sowohl im beruflichen Kontext als auch in privaten Beziehungen mani-festieren.

Ein Arbeiten im Flow kann somit für alle Beteiligte nicht stattfinden – was also ist zu tun, um hierfür ein passendes Umfeld zu schaffen?

Nach meiner Erfahrung funktioniert dies nicht, ohne einen Blick „unter den Teppich“ zu riskieren. Dieses Bild steht für mich für eine unternehmerische Struktur, die konfliktbehafteten Themen und offener Kommunikation keinen Raum bietet.

Eine Unternehmenskultur, die „unter dem Teppich“ aufräumt, ist aus meiner Perspektive einem (vordergründigen) Teambuilding bei sportlichen und sonstigen Aktivitäten weit überlegen, vermag sie doch die TATSÄCHLICHEN HINDERNISSE zu identifizieren und aufzulösen. Wohlgemerkt: Ich bewerte Aktivitäten die Allen Freude machen und das Gemeinschaftsgefühl fördern positiv – manifeste Probleme vermögen sie allerdings nicht zu lösen.

Im Sinne eines „It`s simple but not easy“ grüßt Sie herzlich Ihre
Christa G. Kober