Der Mythos Narzissmus – Teil I

Mir scheint, hier gilt es etwas „zu erhellen“.

Nach meiner Erfahrung häufen sich – auch in den Unternehmen meiner Kunden – die Äußerungen „der/die ist ein Narzisst“. Dies selbstverständlich immer dann als Erklärungsmodell, wenn die
Zusammenarbeit/die Beziehung nicht gut funktioniert. Das heißt, wir haben hier immer eine
Negativbewertung.

Woher wissen Sie dies, ist dann stets meine Rückfrage – da kommt mir dann zumeist großes Schweigen entgegen. Ich wage die Aussage, dass die wenigsten klar definieren können, was denn Narzissmus wirklich ist.

Reden wir über den „gemeinen Narzissmus“ der sich i.d.R. als selbstbezogenes, arrogantes und auch
rücksichtsloses Verhalten zeigt. Dies ist häufig verbunden mit einem deutlichen Autoritätsanspruch und einer mangelnden Fähigkeit zur Empathie. Auf Nachfragen geschweige denn Kritik, wird mit hoher Empfindlichkeit reagiert.

Oder reden wir über eine pathologische narzisstische Persönlichkeitsstörung?
Zu der Klassifizierung möchte ich auf die Standardwerke:

  • DSM (Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders), herausgegeben von der American Psychiatric Association
    bzw.
  • ICD (International Classification of Diseases), herausgegeben von der WHO verweisen.

Im DSM wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung unter einer eigenen Kennziffer geführt. Hier werden auch klar die Kriterien definiert, welche ggf. zu einer entsprechenden Diagnose führen können. Bei einer entsprechenden Diagnose sollten die Betroffenen therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.

Im ICD gibt es hierfür keine eigene Kennziffer, dort wird sie unter der Rubrik „Sonstige spezifische
Persönlichkeitsstörungen aufgelistet“.

Es ist mir ein Anliegen, dass wir immer sehr zurückhaltend mit Äußerungen sind, die einem
Menschen sehr schnell ein „pathologisches Etikett“ verpassen (können). Dies steht – nach
eingehender Befundung – nur Ärzten und Therapeuten zu.

Davon ausgehend, dass – auf der pathologischen Ebene – nur ein sehr geringer Prozentsatz (Schätzungen gehen hier von ca. 1% der Bevölkerung aus) davon betroffen ist, können wir uns dem Thema unbelasteter zuwenden. Also dies betrachten, was wir gemeinhin unter Narzissmus verstehen und was uns fordert im Umgang mit Menschen, die diesbezügliche Tendenzen haben. Ich meine, dass die Menschen mit narzisstischen Prägungen eine „helle und dunkle Seite“ haben.

Zu der hellen Seite gehören:

  • Ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein
  • Sie vermögen zu begeistern und Menschen „mitzunehmen“
  • Sie ziehen Ihre Vorhaben zielstrebig durch
  • Ein charmantes Verhalten

Zu der dunklen Seite gehören:

  • Ein aggressives Verhalten
  • Können die Erfolge anderer nicht anerkennen und loben
  • Andere Menschen werden entwertet
  • Ein manipulatives Verhalten. Sofern dies eine starke Ausprägung hat, nennt man dies im
    Englischen „gasligthing“.

In meinem beruflichen Alltag als Coach und Mediator, treffe ich auf die Tendenzen, dass Menschen mit narzisstischen Verhalten

1. Konflikte gerne auf andere abwälzen
2. ihre Mitarbeiter stark überfordern
3. im Verhandlungsmanagement eine geringe Bereitschaft zeigen so zu agieren, „dass das Geschäft für beide Seiten ein gutes Geschäft ist“ (ein alter aber guter kaufmännischer Grundsatz). Hier fehlt es dann wieder an der „Antenne“ für die Bedürfnisse der Gegenseite
4. sich und ihre Entscheidungen nicht ausreichend hinterfragen bzw. intern zur Diskussion stellen, und Kritik auch aushalten können. Dies kann bei – falschen Entscheidungen – ein deutliches Risiko für das Unternehmen darstellen.

Insofern haben wir also einen deutlichen Bedarf zu lernen, wie damit umzugehen ist!

Wussten Sie, dass:
a) Narzissmus primär „männlich ist“, die Frauen allerdings stark „aufholen“? Ich meine, dass dies auch dem gesellschaftlichen Duktus geschuldet ist, da Männer
– weniger über Gefühle reden
– einen höheren Anspruch darauf erheben, sich über Titel, Position, Einkommenund Vermögen zu definieren
b) ein großer Teil dieser Menschen in Städten lebt.

Und ich bin mir sicher, dass – ohne einen gewissen Hang zum narzisstischen Verhalten – die Ränge der Führungselite in Politik und Wirtschaft ziemlich leergefegt wären. Was würden wir tun ohne diese Leader, die CEO´s? Ihre helle Seite ist eine Ressource, sie sind die mover! Und manchem „der sich nicht traut“, würde eine Portion gesunder Narzissmus nur gut tun.

Handlungsbedarf entsteht aber spätestens dann, wenn die oben angeführten Problematiken die
Zusammenarbeit belasten und das Unternehmen/die Organisation ins Risiko bringen.
Dann ist auf zwei Ebenen zu agieren:

1. Für den Narzissten
Wie kann ich ggf. aus dem Kokon „Ich, Icher am Ichesten“ herauszutreten (sofern hierzu
überhaupt eine Einsicht in die Notwendigkeit gesehen wird). Eine Motivation den Schritt zu
wagen kann sein, dass Narzissmus oft sehr einsam macht.
2. Für das soziale Umfeld am Arbeitsplatz und in Beziehungen
Wie kann ich mit Narzissten umgehen, hilft hier nur die Kündigung, das Verlassen oder gibt
es Strategien mich selbst zu behaupten?

Lassen Sie uns heraustreten aus der pauschalen Bewertung.

In Kürze lesen Sie hierzu mehr.

Bleiben Sie dran!

 

It’s simple but (sometimes) not easy – herzlich Ihre

Christa G. Kober